Bayern wählt am 8. März 2026 neue kommunale Vertretungen und Entscheider*innen, also zum Beispiel Gemeinde-, Kreis- und Stadträte sowie (Ober-)Bürgermeister und Landrätinnen. Die LAG Jugendsozialarbeit Bayern appelliert an alle Kandidat*innen auf kommunaler Ebene, junge Menschen konsequent in den Fokus zu nehmen und Jugendsozialarbeit als kommunale Pflichtaufgabe und Teil der Jugendhilfe ernsthaft auszustatten. Wer Zukunft gestalten will, stärkt die Jugend vor Ort – dauerhaft, auskömmlich und verlässlich.


Bayern 2024: Zahlen, die Verantwortung einfordern

In Bayern leben 1.320.962 junge Menschen zwischen 15 und unter 25 Jahren. Sie sind rund zehn Prozent der Bevölkerung. Ihre Startchancen sind jedoch alles andere als selbstverständlich:

Armut und soziale Exklusion

2024 beziehen 68.322 junge Menschen Leistungen nach dem SGB II. Im Jahr 2023 lag diese Zahl mit 57.196 noch deutlich niedriger. Damit zeigt sich ein deutlicher Anstieg, der über die demografische Entwicklung hinaus auf eine reale Verschärfung ökonomischer Problemlagen verweist. Auch die Armutsgefährdungsquote bleibt hoch: 2024 sind 197.766 junge Menschen (20,6 %) armutsgefährdet. Dieser Anteil entspricht exakt der Quote des Jahres 2023 (20,6 %), was die strukturelle Verfestigung relativer Armut in Bayern unterstreicht.

Bildungsbenachteiligung

Die Bildungsindikatoren zeigen ebenfalls Kontinuitäten: 2024 verbleiben 18 % der 25- bis 35-Jährigen ohne beruflichen Abschluss. Zudem verlassen 2024 insgesamt 6.474 Schüler*innen die Schule ohne Abschluss. 2023 lag der Anteil der Jugendlichen ohne deutschen Pass ohne Abschluss bei 13,5 % (deutsche: 4,1 %).

NEET-Quote

Die NEET-Quote beträgt 2024 5,0 %. 2023 lag sie bei 5,4 %. Damit zeigt sich eine leichte, aber noch nicht strukturell stabile Entspannung. Vor dem Hintergrund langfristiger Schwankungen bleibt also der Anteil junger Menschen, die sich weder in Bildung noch Ausbildung oder Erwerbstätigkeit befinden, jedoch weiterhin ein zentraler Indikator sozialer Vulnerabilität.

Ausbildungssuche und Arbeitsmarkt

Die Situation am Übergang Schule – Beruf bleibt angespannt:

2024 gab es 5.899 unvermittelte Bewerber*innen um Ausbildungsstellen. Im Vergleich dazu lag der Wert 2023 bei 4.997 und damit deutlich niedriger. Zudem wurden 2024 5.908 Bewerber*innen als „unbekannt verblieben“ registriert. 2023 lag diese Gruppe bei 5.499 Personen. Beide Entwicklungen verdeutlichen eine zunehmende Zahl junger Menschen, die im Vermittlungsprozess aus dem Sichtfeld der Arbeitsverwaltung geraten – ein deutliches Risiko für langfristige Exklusionsprozesse.

Arbeitslosigkeit

Die Zahl arbeitsloser junger Menschen unter 25 Jahren steigt deutlich: von 23.002 im Mai 2024 auf 27.434 im Mai 2025, ein Plus von 19 %. Bereits 2023 war die Zahl der langfristig arbeitslosen Jugendlichen nach mehreren Rückgängen wieder auf 4.362 gestiegen. Die erneute Steigerung bestätigt, dass sich strukturelle Integrationshemmnisse für bestimmte Gruppen junger Menschen verfestigen.

Diese Zahlen zeigen: Bayern ist zwar wirtschaftlich und gesellschaftlich erfolgreich, aber nicht alle jungen Menschen profitieren von diesem Erfolg. Die Kommunen müssen jetzt handeln.

Junge Menschen haben Anspruch auf Förderung und gesellschaftliche Teilhabe. Dieses Recht verpflichtet die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe dazu, eine tragfähige Infrastruktur vorzuhalten. Dazu gehören neben Angeboten der Jugendarbeit auch Maßnahmen der Jugendsozialarbeit. Zentraler Steuerungsmechanismus ist die kommunale Jugendhilfeplanung. Sie dient dazu, die Lebenslagen und Bedarfe junger Menschen systematisch zu erfassen, ihre Perspektiven einzubeziehen und gemeinsam mit freien Trägern sowie mit Vertreter*innen junger Menschen abgestimmte Angebotsstrukturen zu entwickeln. Damit diese Aufgaben wirksam umgesetzt werden können, braucht es eine verlässliche Ausstattung mit kommunalen und staatlichen Ressourcen – personell, räumlich und fachlich. Ebenso entscheidend ist, dass Jugendhilfeplanung im Dialog mit jungen Menschen erfolgt und die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und freien Trägern als verbindliche Partnerschaft gestaltet wird.

 

Jugendsozialarbeit: Pflichtaufgabe mit Wirkung

Jugendsozialarbeit gemäß § 13 SGB VIII schafft als Teil der Kinder- und Jugendhilfe soziale Integration, öffnet Zugänge zu Bildung, Ausbildung, Arbeit und Wohnen und verhindert Ausgrenzung. Sie kompensiert strukturelle Benachteiligungen, stabilisiert Lebenswege und schafft Teilhabe. Jugendsozialarbeit ist keine Kür, sondern sozialstaatlicher Auftrag und unverzichtbarer Bestandteil kommunaler Infrastruktur.

Jugendsozialarbeit wirkt dort, wo andere Systeme an Grenzen stoßen. Sie verbindet Angebote der Jugendhilfe, Schule, Jobcenter und Betriebe – und begleitet junge Menschen praxisnah und verlässlich. Jeder gelungene Übergang spart langfristig hohe Sozial- und Folgekosten.

 

Politischer Auftrag: strukturell absichern statt nur projektfinanzieren

  • 13 SGB VIII begründet einen Rechtsanspruch[1]. Kommunen und Länder sind daher verpflichtet, Jugendsozialarbeit strukturell zu sichern. Verlässliche Finanzierung statt Projektlogiken ist notwendig, damit Wirkung nicht dem Zufall oder Wahlzyklen überlassen wird. Investitionen in Jugendsozialarbeit bedeuten Investitionen in Bildungsgerechtigkeit, Fachkräftesicherung und sozialen Frieden.

 

Nutzen für Kommunen: stark, konkret, nachhaltig

Kommunen, die Jugendsozialarbeit stärken, profitieren mehrfach:

  • Sozialpolitisch: weniger Kosten für Hilfen zur Erziehung, Wohnungslosigkeit, Langzeitarbeitslosigkeit
  • Wirtschaftlich: stabile Übergänge in Ausbildung und Arbeit, lokale Fachkräftesicherung
  • Gesellschaftlich: weniger Ausgrenzung, mehr Teilhabe, gestärkter sozialer Zusammenhalt
  • Demokratiepolitisch: junge Menschen erfahren Selbstwirksamkeit, Vertrauen und Beteiligung

Jugendsozialarbeit ist damit ein echter Standortfaktor – und ein Aushängeschild moderner Kommunalpolitik. Wer Jugend stärkt, stärkt die Zukunft der Kommune.

 

[1]   Vgl. z.B. Kommentar zum SGB VIII, §13, Wiesner: „Rechtsqualität der Norm: Zur Gewährung der in Abs. 1 angesprochenen Hilfen besteht eine objektiv-rechtliche Verpflichtung. Mit dieser korrespondiert ein subjektiv- öffentl. Recht junger Menschen auf diese Hilfen, weil diese sozialpädagogischen Hilfen der Überwindung spezifischer Lebenslagen der sozialen Benachteiligung oder der individuellen Beeinträchtigung dienen, denen mit den allgemeinen Angeboten der Jugendarbeit nicht ausreichend begegnet werden kann.“